Eberhard "Matz" Vogel
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Pfeilschneller Linksaußen und Rekord-Oberligaspieler
Vogel, Verräter! Der schnelle Linksaußen nahm den Ball in der Bewegung mit,
lief noch ein paar Schritte und flankte nach innen. Präzise. Der Ball
beschrieb einen Bogen und narrte die komplette Karl-Marx-Städter Abwehr.
Schon lange vor Manni Kaltz schlug Vogel Bananenflanken. Besser, genauer.
Nur nannte man diese nicht so. Es war nicht erwünscht. Vogel, Verräter! Der
Lärm schwoll an, das Geschehen auf dem Rasen war nun eher zweitrangig.
Vogel, Verräter! Vogel, Verräter! Mancher Gelegenheitsbesucher auf den
Rängen des Dr. Kurt-Fischer-Stadions blickte fragend seinen Nachbarn an:
Vogel, Verräter? Hier in der Industriestadt vergaß man nicht. Es war der
Herbst 1976 und 6 Jahre zuvor delegierte man den Nationalspieler Eberhard Vogel
vom FCK zum FC Carl Zeiss Jena. Hin zu Ducke und Weise, seinen Mitstreitern
aus Buschners Team. Die Olympiade und die Fußball-WM in der Bundesrepublik
standen vor der Tür, da musste man die Kräfte bündeln. Und Karl-Marx-Stadt
war eh abgestiegen. Was sollte Vogel in der 2. Liga? Unvorstellbar.
Matz, so nannte man ihn ob seines Nachnamens, fuhr zur WM und spielte gegen
Australien, Chile und Argentinien. Es waren Höhepunkte in seinem Leben.
Ebenso die Olympiade in München 1972, wo er mit der Bronzemedaille heimkehrte.
Seine Laufbahn begann 1957 in dem kleinen Ort Niederwiesa, als er für
Traktor stürmte und von wo man ihn in die Bezirksstadt holte. Das war 1959. Es ging
nun steil bergauf. 3 Jahre später bereits das Länderspiel-Debüt, dem noch
weitere 73 Kappen folgen sollen. Von seinen 25 Toren sind noch viele in Erinnerung.
Da war der direkt verwandelte Eckball gegen die UdSSR 1964 oder die 40-m-Rakete gegen
Peter Shilton 1970. Auch national sorgte Vogel für Furore. Mit 440 Spielen
in 21 Serien führt er für immer die ewige Bestenliste der DDR-Fußballer an und
schoss seit seinem Debüt bei den Himmelblauen im Herbst 1961 insgesamt 188 Tore.
Lob und Ehrungen folgten zuhauf. Aber nur mit dem FCK wurde er DDR-Meister.
1982 ist es zu Ende. Oldie Eberhard Vogel hängt mit 39 Jahren die Töppen an
die Wand. Er wird Nachwuchstrainer beim DFV. Seine Stars heißen fortan Matthias
Sammer und Rico Steinmann. Auch privat lebt er für seinen Sport, die beiden
Söhne Tino und André wurden ebenfalls Fußballer. Nach der Wende änderte sich
einiges.
Der Vogel muss fliegen! So forderten im Herbst 2001 die Fans des FC
Magdeburg, als die Leistung nicht mehr stimmte. Nach dem Auftritt beim
Chemnitzer FC (0:1), an alter Wirkungsstätte, flog er dann tatsächlich.
Raus. Man wollte ihn nicht mehr. Das war das Trainergeschäft. 1986
erkämpfte er mit den DDR-Junioren den EM-Titel, später assistierte er
DDR-Trainer Ede Geyer und betreute den Nachwuchs in Gladbach und Köln.
Danach trainierte er Hannover 96, führte Hoyerswerda nach oben und versuchte
sich in Togo. 2000/2001 stieg Vogel mit dem 1.FCM in die Regionalliga auf
und schlug die Bayern im DFB-Pokal. Seit April 2002 ist er nun Trainer beim
Dresdner SC.
Eigentlich eine sehr erfolgreiche Story. Und wenn er in der kommenden Saison
wieder in Chemnitz gastiert, wird niemand mehr rufen: Vogel, Verräter. Das ist schon
lange vorbei.
(Stand 04/2002)
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Zur Person:
- Geboren: 8.4.1943 in Altenhain bei Chemnitz
- Familienstand: Verheiratet mit Angela Höhne (1968 DDR-Meisterin über 100 Meter), 2 Söhne, Tino und André
Karriere:
Sportliche Laufbahn:
FC Karl-Marx-Stadt
- beim Club von 1959 bis 1970, dabei 198 Spiele/70 Tore
- 1. Oberliga-Trainer: Heinz Werner
- Debüt: Herbst 1961 gegen 1.FC Magdeburg und gleich ein Tor beim 1:1
- Erfolge: DDR-Meister 1967, Fußballer des Jahres 1969, 2 Spiele im EC I
FC Carl Zeiss Jena
- aktiv von 1970 bis 1982, dabei 242 Spiele/118 Tore
- FDGB-Pokalsieger 1972, 1974, 1980
- 47 Spiele im Europacup/11 Tore
- Finalist im EC der Pokalsieger 1981 in Düsseldorf gegen Dynamo Tbilissi
(1:2)
» mit 440 Einsätzen Rekord-Oberliga-Spieler der DDR
Länderspiele:
- 74 Spiele / 25 Tore
- Debüt: 16.12.1962 in Conakry gegen Guinea 3:2 (1 Tor)
- Ende: 21.04.1976 in Cottbus gegen Algerien 5:0
- Erfolge: Bronze bei Olympiaden 1964 und 1972, WM-Teilnahme 1974 (3 Spiele)
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Trainerkarriere:
1983-89 Nachwuchstrainer im DFV
1989-90 Co-Trainer DDR-Nationalmannschaft
1990-91 Amateurtrainer Borussia Mönchengladbach
1991-92 Amateurtrainer 1. FC Köln
1992-93 Trainer Hannover 96
1994-96 Trainer FC Carl Zeiss Jena
1996-97 Trainer VfB Pößneck
1997-98 Nationaltrainer Togo
1999-00 Trainer FSV Hoyerswerda
2000-01 Trainer 1. FC Magdeburg
seit 04/02 Trainer Dresdner SC
Bilder: Autogramm-Heft von 1969. Mrazek, "Die besten dt. Nationalspieler", Copress 1997. Kicker, Montag 30.10.2000 als Trainer des 1.FCM. Broschüre "20 Jahre FC Karl-Marx-Stadt".
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