Saisonrückblick 2013/2014

Die Baustellensaison

Von Erik Büttner

Die dritte Drittligasaison des Chemnitzer FC ist Geschichte. Sie wird allen, die dem himmelblauen Fußball zugeneigt sind, als eine Spielzeit voller großer Erwartungen, großer Enttäuschungen, großer Sorgen und großer Erleichterung in Erinnerung bleiben. Und auch wenn der CFC sein Saisonziel, nämlich die Verbesserung der Vorjahresplatzierung klar verfehlt hat, so hat sich der Verein nach dieser Spielzeit vielleicht trotzdem mehr weiterentwickelt, als auf dem ersten Blick sichtbar.

Mit Marc Hensel und Josef Cinar waren große Hoffnungen verbunden, die beide aber nicht erfüllen konntenAls im Juni 2013 der Sommer mit Temperaturen über 30° Celsius Einzug hielt, da erreichte auch die Euphorie beim Chemnitzer FC einen Höhepunkt. Am 20. Juni verkündete der CFC die Rückkehr von Aufstiegsheld Ronny Garbuschewski; einen Tag später präsentierte die Stadt Chemnitz den Generalbauübernehmer und den endgültigen Entwurf für das neue Stadion. Zuvor waren schon mit Stefan Riederer (Unterhaching), Marc Hensel (Aue) und Josef Cinar (Burghausen) namhafte Neuzugänge bekannt geworden, das förderte die Euphorie wie auch die Erwartungshaltung. Die Medienlandschaft nahm das Ganze dankbar auf und befeuert das ganz noch - der Chemnitzer FC wurde Aufstiegskandidat, wie die halbe Liga auch.

Gegen den späteren Aufsteiger aus Heidenheim gab es nichts zu holen Doch bereits nach drei Minuten in der neuen Saison war von der ganzen Euphorie nicht mehr viel übrig. Osnabrücks Adriano Grimaldi riss 7.000 erwartungsvolle Zuschauer mit seinem 1:0 aus allen Träumen. Als drei Wochen später Heidenheim auch schon in der ersten Minute traf, war die Stimmung in Chemnitz endgültig am Boden. Hinzu kam noch, dass die unterlegenen Bieter für die Umsetzung des Stadionprojektes Beschwerde gegen die Vergabe eingelegt und damit einen Projektstopp veranlasst hatten. Die Laune wurde erst wieder Mitte August besser. Großer Auftritt von Neuzugang Kolja Pusch beim Auswärtssieg in RegensburgMit dem 5:3 in Regensburg setzten die mittlerweile mit Kolja Pusch (Leverkusen) verstärkten himmelblauen Mannen einen kleinen Befreiungsschlag, der mit einem Punkt in Duisburg und dem ersten Heimsieg der Spielzeit (Dortmund, 2:0) vergoldet wurde. Es folgten drei Remis in Darmstadt und Saarbrücken sowie zu Hause gegen Rostock und ein Sieg gegen die Stuttgarter Kickers. Es war die erfolgreichste Zeit des CFC mit Platz 10 als bester Platzierung in der Tabelle. Dazu hatten auch die rechtlichen Scharmützel um das Stadionprojekt ein Ende und am 16. September konnte die Stadt Chemnitz die BAM endlich mit der Errichtung des neuen himmelblauen Wohnzimmers beauftragen.

Gerd Schädlich fassungslos bei der Heimklatsche gegen Münster - sein letzter Arbeitstag.Gerade als wieder Hoffnung in Chemnitz aufkeimte - schließlich lagen die drei Aufstiegsplätze nur einen Sieg entfernt - da kippte wieder die Stimmung. Zuerst wurde die Partie beim Halleschen FC vergeigt, anschließend eskalierte die Situation im Heimspiel gegen den kriselnden SC Preußen Münster. Die Gäste trafen nach zwei Minuten zur Führung, zur Pause stand es 0:4 und auf der Pressekonferenz nach der Partie erklärte CFC-Trainer Gerd Schädlich seinen Rücktritt. Fußballchemnitz war in Mark und Bein erschüttert.

Jungnationalspieler Mauersberger - gegen RB der Held, später selbstverschuldet der DeppNaturgemäß wurde mit vielen Namen potentieller Trainerkandidaten spekuliert. Aber schon zwei Tage später herrschte Klarheit und mit Karsten Heine fortan ein Mann auf dem Übungsplatz, den die wenigsten auf der Rechnung hatten. Sein Einstand verlief durchwachsen. In der ersten Sachsenpokalrunde gewann der CFC mit 8:2 gegen den Fünftligisten Döbelner SC. Besorgniserregend waren dabei die zwei Gegentore. Eine Woche später beim Tabellenschlusslicht Burghausen gingen die Himmelblauen wieder leer aus. Und ausgerechnet jetzt stand das Heimduell mit dem Marketingprojekt aus Sachsens Norden ins Haus. Einige CFC-Fans überlegten schon, sich diese Partie gänzlich zu schenken, um der drohenden Demütigung wenigstens etwas aus dem Weg zu gehen. Doch sie hätte eines der besten Saisonspiele verpasst. Vor über 8.000 Zuschauern machten der junge Mauersberger und Garbuschewski das Marketingprojekt in zwei Minuten nass und Semmer in der Schlussminute alles klar.

Bye, Bye - gute alte Fiwi. Abschiedsspiel gegen Kaiserslautern.Doch die erhoffte Auferstehung des Chemnitzer Fußballs blieb aus. Der CFC ließ sich in Erfurt wieder in den ersten Sekunden einen Treffer einschenken und vergeigte zu Hause gegen Wiesbaden eine Führung. Ein Punkt trennte die Himmelblauen noch vom Abstiegsplatz. Geistige Erholung im Abstiegskampf bot das Sachsenpokalspiel bei der BSG Chemie Leipzig, das glanzlos aber souverän mit 4:0 gezogen wurde. Diese Partie war der Auftakt einer bis zum Jahresende reichenden Erfolgswelle. Denn die Himmelblauen holten neun Punkte aus den verbleibenden fünf Partien, verloren keine und holten dabei in Osnabrück einen sensationellen wie enorm wichtigen Sieg. Denn dieser Erfolg verhinderte das Überwintern in der „roten Zone“. So ging Fußballchemnitz etwas entspannter in die kurze Winterpause.

Nullnummer gegen Duisburg, auf der Südkurve thront bereits der Abrissbagger.In den kurzen Wintertagen passierte so einiges rund um die Fischerwiese. Bis zum Transferschluss am 31. Januar wurden Marcel Hofrath (Düsseldorf) und Marc Lais (Sandhausen/Freiburg) unter Vertrag genommen. Und mit dem Freundschaftsspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern am 15. Januar endete eine Ära, die Ära der alten Fischerwiese. Denn wenige Tage später rollten die Abrissbagger an und ab 25. Januar auch wieder der Ball. In Heidenheim gab es aber für den CFC nicht ganz unerwartet mit 0:3 auf die Mütze. Das gleiche Ergebnis prangerte auch eine Woche später auf der nun zur Baustelle mutierten Fischerwiese nach einem erschütternden Spiel gegen Regensburg an der Anzeigetafel. Das 0:0 gegen Duisburg eine Woche später verbreitete nur vage Hoffnung, denn wenige Tage später war nach dem 0:3 bei Abstiegskandidat Dortmund II der CFC am Tiefpunkt angekommen. Nun hielten selbst bei den optimistischsten Fans ernste Abstiegsängste Einzug. Hinzu kamen Eskapaden von Spielern: Maik Kegel verletzte sich nach einem Kneipenbesuch und flog aus dem Kader. Wenige Tage später erregte Mauersberger mit einem dummen Facebook-Video Aufmerksamkeit und wurde ebenfalls suspendiert.

Krisentreffen zwischen Fans und Mannschaft nach dem Tiefpunkt in Dortmund - die Wende.Doch es passierte Bemerkenswertes im himmelblauen Land. Denn trotz aller Widrigkeiten schaffte es der CFC sich selbst aus dem Sumpf zu ziehen. Das 1:1 gegen Aufstiegskandidat Darmstadt war zwar vom Ergebnis her zu wenig, doch verbreitete es Hoffnung. Im Sachsenfinale erreichte man – wenn auch in Markranstädt arg angestrengt – das Halbfinale. Und einen Tag später, am 26. Februar wurde der schon längst umstrittene Sportdirektor Jörg Emmerich von Stefan Beutel abgelöst. Die Krone auf diese ereignisreiche Woche setzte der kaum für möglich gehaltene Auswärtssieg bei Hansa Rostock (2:1). Ihm folgten das enorm wichtige 2:0 gegen Abstiegskandidat Saarbrücken und der ebenfalls spektakuläre 3:0-Sieg bei den aufstrebenden Stuttgarter Kickers. So hatte sich im Laufe des Märzes der Chemnitzer FC wieder ins Ligamittelfeld vorgearbeitet und mit fünf Punkten auf die Abstiegsregion auch wieder einen beruhigenden Vorsprung erlangt. Ein Teil dieser Erfolgswelle war der junge Tom Scheffel, der aus der Not heraus in Rostock als rechter Verteidiger ins kalte Ostseewasser geworfen wurde und im Laufe der Rückrunde zu einer festen Größe und Hoffnungsträger in der himmelblauen Elf wurde.

Abrechnung mit 'Angstgegner' Erfurt - mit 4:0 werden die Thüringer vermöbelt.Doch die Erfolgswelle ebbte im fast schon skandalösen Heimspiel gegen den Halleschen FC ab. Die von HFC-Begleitern ausgelöste Spielunterbrechung wurde dann auch noch mit dem Ausgleich für Halle in letzter Sekunde „belohnt“. Der Glaube an Gerechtigkeit im Fußball war im himmelblauen Lager erneut erschüttert. Mit der 1:3-Pleite in Münster starteten die Himmelblauen anschließend eine Serie mit je drei Auswärtsniederlagen und drei Heimsiegen. Während dabei das 1:0 gegen Burghausen nach einer etwas verkrampften Partie einfach nur Erleichterung brachte, wurden die folgenden beiden Heimpartien zu Spektakeln. Gegen Erfurt spielte der CFC mit dem Gegner Katz und Maus und hätte das Ergebnis durchaus höher als das 4:0 gestalten können. DAS Spiel von Benni Förster - Einwechslung, Doppelpack, Rote Karte, Klassenerhalt und Abschied... Ähnlich hoch her ging es in der Begegnung gegen Kiel, jedoch mit ganz anderer Dramatik, denn dem Sieger winkte der sichere Klassenerhalt. Und zunächst sah es nicht gut für die Hausherren aus: Maik Kegel traf ins eigene Tor und Kolja Pusch vergab einen Elfmeter. Dann aber kam Benjamin Förster, traf zweimal zum Sieg und flog fünf Minuten vor Schluss vom Platz um anschließend im Fernsehen seinen Abschied zu verkünden. Am Ende regierte über Chemnitz aber nur die Erleichterung diese Saison sicher abgeschlossen zu haben und sich in den letzten beiden Partien nicht noch aufreiben zu müssen.

Dramatisches Endspiel im Sachsenpokal mit glücklichem Ausgang für die Himmelblauen. Zwischendrin hatte der CFC beim VfB Auerbach mit einem 3:0, das souveräner klingt als es war, das Finale um den Sachsenpokal erreicht. Und so galt nach dem Klassenerhalt dem Endspiel beim Oberligisten OFC Neugersdorf alle Konzentration. Das war auch bitter nötig, denn die Lausitzer machten dem CFC das Leben richtig schwer, glichen zweimal die himmelblaue Führung aus und waren in der Verlängerung drauf und dran die Partie zu ziehen, ehe ausgerechnet Tino Semmer den Siegtreffer erzielte. Chemnitz war also im nächsten Jahr sicher in der dritten Liga und im DFB-Pokal dabei. Das letzte Saisonspiel, zu Hause gegen den VfB Stuttgart II war dann sportlich nahezu belanglos und trotzdem pilgerten noch einmal über 4.500 Zuschauer auf die Fischerwiese. Das unterstrich noch einmal das Bemerkenswerte an dieser Saison: Die Zuschauer hielten ihrem CFC trotz aller Widrigkeiten, wie den durchwachsenen Ergebnissen und dem Stadionumbau, die Treue. Jedoch herrschte zu den Heimspielen auch nie wirklich schlechtes Wetter, was sich sicher positiv auf die Zuschauerzahlen auswirkte.

Ein nachdenklicher Silvio Bankert am letzten Spieltag - der Kapitän geht von Bord, viele andere folgen... Was bleibt nun von dieser Spielzeit 2013/2014? Betrachtet man rein die dritte Liga, so muss man von einem klaren Rückschritt sprechen, besonders da die Ansprüche vor der Saison hoch waren. Doch fasst man den Blick weiter, so ist der Chemnitzer FC sogar einen großen Schritt weiter als nach der vorangegangenen Saison gekommen: Das Stadion ist in Bau und nimmt sichtbar die neuen Konturen an. Die gesamte sportliche Leitung wurde auf neue Füße gestellt. Sie hat zwar noch keine Wunder bewirkt, erweckt aber dennoch einen professionelleren und zukunftsträchtigeren Eindruck, als die Vorgänger. Chemnitz ist im DFB-Pokal dabei und darf sich auf Bundesligist Mainz 05 und ein paar zusätzliche Münzen im Sparschwein freuen. Einzig der Abgang von Hauptsponsor aetka trübt etwas die Aussicht.

Währenddessen geht der Umbau der Fiwi gut voran und auch der Umbau des CFC ist in Arbeit.Und damit kommen wir zurück zur Überschrift. Als es in Herbst und Winter sportlich trüb bei den Himmelblauen aussah, da verwendeten die Medien angesichts des Stadionbaus auch gern das Synonym der „Baustelle CFC“. Aber ist nicht „Baustelle“ ein positiver Begriff? Sicher, während der Zeit einer Baustelle muss man mit Einschränkungen leben, seien es Umleitungen und Staus beim Straßenbau, unkomfortablen Übergangslösungen bei Wohnungssanierungen oder das Verlieren des Stammplatzes beim Stadionbau. Doch ist die Bauzeit vorbei, ist meist etwas Besseres, Schöneres und Komfortableres entstanden. Genau diese Aussicht hat der Chemnitzer FC in diesen Tagen. Vom Stadion müssen wir nicht mehr reden. Die Mannschaft wird umgebaut und auch wenn die großen Namen fehlen, so lassen die bisherigen Verpflichtungen auf eine junge, spielfreudige Truppe mit guter Perspektive hoffen. Chemnitz wird wohl auch im kommenden Jahr mit einer Platzierung irgendwo im Niemandsland der Tabelle Vorlieb nehmen müssen. Doch wie beim Stadion auch, wächst hier Stein für Stein eine hoffentlich gute himmelblaue Zukunft.